BODENLOSE MALEREI

Auszüge aus einem Text von Martin Damus

Für die in letzter Zeit entstandenen runden Bilder verwendet Almuth Baumfalk als Bildträger eine transparente Kunstfaser, die als Malgrund kaum in Erscheinung tritt, und verwirklicht so künstlerische Vorstellungen von Transparenz und Transformation mit denen sie sich seit Jahren beschäftigt. (...) Sie evoziert die Vorstellung von imaginärem, nicht begrenztem und nicht fassbarem Raum. Dazu trägt auch die Form der Bilder, das richtungslose Kreisrund bei. Nichts steht oder liegt hier fest. Die Anordnungen bzw. Arrangements von Gemüse, Zellen, oder Plastikschüsseln werden offen, werden in Bewegung gehalten. Die runden Bilder haben kein Oben und kein Unten und in ihnen gibt es keinen Anfang und kein Ende, vielmehr ein unabgeschlossenes Werden. Es sind die Hände der Künstlerin, die -von außen- gestaltend in das Bild eingreifen, nichts so lassen wie es war,vielmehr alles in Bewegung setzen, arrangieren. So ist jedes Bild für sich auch als Bild für das Erstellen eines Bildes zu verstehen und darum geht es der Künstlerin, "diesen Moment des Erstellens eines Bildes festzuhalten ... als Bild".

Das Momenthafte und Flüchtige kommt auch in der Verwendung der Fotografie für die eigenen Hände zur Anschauung. Die Fotografie vermag den flüchtigen Augenblick zu erfassen, Bewegungsmomente, instabile Zustände als Bilder festzuhalten und damit auf die Flüchtigkeit des Gegenwärtigen, auf die Instabilität des Gegebenen, das auch in der Transparenz des Malgrundes seinen Ausdruck findet, zu vergegenwärtigen.

PORZELLANKATASTROPHEN

An Deckengemälde des Barock erinnern Almuth Baumfalks transparente Tondi,deren Leuchtkraft durch den Auftrag von Acryltemperafarbe und Fotopigmenten auf Polyester entsteht. (...) Die Arbeiten der Malerin präsentieren einen spielerisch-positiven Blick auf die Genesis. Hände reichen vom Bildrand in einen luftigen Zauberkessel der Schöpfung, wo anmutige Porzellankatastrophen und allegorische Experimente einen feen-fröhlichen Schöpfungsprozess in Gang setzen.

Ulrike Brandenburg
Ausstellungsbesprechung im Wiesbadener Kurier vom 03.04.2004 (Auszug)

HANDGREIFLICHE SPUREN
IN UNGREIFBARER TRANSPARENZ

Zu den Bildern von Almuth Baumfalk

Die Hände der Künstlerin greifen von außen in Bilder ein, so als würden sie Gegenstände in das Bild einbringen und im Bild in Bewegung setzen. Die Bildelemente, insbesondere die Schalen und die Pflanzen scheinen sich, eingebunden in die kreisenden Bewegungen eines nicht endenden spiralförmigen Fließens, immer neu im Bildraum zu arrangieren, ja im Raum, im Bildraum, der imaginiert wird durch die fotografische und damit plastisch-räumliche Wiedergabe der einzelnen Motive, der Bildgegenstände, mehr aber durch die spezifische Art der Malerei, des Farbauftrags wie des Bildträgers.

Almuth Baumfalk malt hier deckend und ebenso durchscheinend lasierend auf gazeartiger Kunstseide, einem transparenten Bildträger. Im Unterschied zu den lasierend und transparent übermalten Partien des Bildes reflektieren die auf den Bildgrund übertragenen Fotografien, ebenso wie die deckend gemalten Bildpartien, das Licht und erscheinen aufgrund dessen in einer anderen Bildebene als die transparent übermalten Flächen, durch die Licht auf die dahinter liegende Wand fällt. Die auf der Wand sich abzeichnenden Lichtflecken und Schatten werden als Bildelemente wahrgenommen und verleihen dem Bild zusätzlich räumliche Tiefe. (...)

Die handgreiflichen Spuren, malerische Gegebenheiten, können sich in ungreifbarer Transparenz verlieren. Was Betrachter sehen, hängt auch von ihrem Standort wie vom Lichteinfall ab. Für die Betrachter kann, vor dem Bild sich bewegend, die transparent aufgetragene Farbe unsichtbar werden und im nächsten Augenblick wieder sichtbar sein. Mal wird das Licht reflektiert, dann aber wird es aufgrund der Transparenz von Malerei und Malgrund geradezu aufgesogen. Und so gibt es hier kein "so ist es", sondern ein "so sehe ich es - so sehe ich es jetzt". Das, was wir sehen, muss nicht sein, wie wir es sehen. (...)

Martin Damus
zur Eröffnung der Ausstellung im Kunsthaus Norden 2006